Rock On Brain
Eine der ersten deutschen Bands, die schon vor Jahren mit einer nennenswerten Bühnenshow operierten, war die im Jahre 1966 gegründete “Crew”, die aus Stefan Danielak, Gerd Otto Kühn, Joachim H. Ehrig, Peter Klassen und Edgar Hüber bestand. Das westfälische Quintett trennte sich 1969. Zwei Folgegruppen entstanden: Zur einen, Charing Cross, gehörten der Gitarrist Gerd Otto Kühn, der Bassist Bernhard Uhlemann und der Schlagzeuger Axel Harlos. Zur anderen, die sich unter dem Namen Wutpickel freier Improvisation verschrieben hatte, zählten der Sänger und Gitarrist Stefan Danielak, der Schlagzeuger Joachim H. Ehrig und diverse Mitmusiker. Nach einer neunmonatigen Trennung verschmolzen beide Formationen im Februar 1971 zu GROBSCHNITT. Zu Kühn, Uhlemann, Harlos, Danielak und Ehrig stieß auch noch der Organist Hermann Quetting (vormals Chris Braun Band). Dieses Sextett (mit zwei Schlagzeugern) trat unverändert bis Mitte 1972 auf und ist auch auf der ersten Langspielplatte zu hören. Als schließlich Bernhard Uhlemann, Axel Harlos und Hermann Quetting die Band im Sommer 1972 verließen, löste sich GROBSCHNITT kurzfristig auf, wurde aber im September des Jahres wieder aktiv. Dazu kam es, als sich das Trio Danielak, Kühn, Ehrig durch den Bremer Organisten Volker Kahrs verstärken konnte. Etwa ab Januar 1973 profilierte sich GROBSCHNTT durch ein Bühnenspektakel, eine “monströse, dreistündige Freak-Klamotte, die ihresgleichen sucht und durch Rock-Show, Theater, Pantomime, ZDF-Hitparade und Klapsmühle dem Publikum Freudentränen in die Augen jagt” (POP). Vorgefertigte Tonband-Collagen, Schminke und schnoddrige Anti-Kostüme gehören ebenso zum Bühnenbild, wie die Aktionen der früheren Roadies und jetzigen “Schauspieler” Ralf “John McPorneaux” Gräber und Rainer “Toni Moff Mollo” Loskand. Kernstück des ersten GROBSCHNITT-Programms war das 20-Minuten-Schauspiel “Am Ölberg”, in dem auch Gott auftrat. Dazu legten sich die Musiker mit “Eroc, Lupo, Wildschwein und Mist” adäquate Namen zu. Als fünftes Mitglied kam im September aufs neue Bernhard “Baer” Uhlemann hinzu. Auch ihre zweite Vinyl-Pressung, das Doppelalbum “Ballermann”, wurde mit Eigenkompositionen bestückt und ausschließlich in englisch besungen.
Der auf weit ausladenden Instrumental-Passagen basierende Space-Rock gipfelte dabei in der 33-Minuten-Version “Solar Music”. Ohne Bernhard Uhlemann, der die Band im Frühjahr 1975 endgültig verließ, aber mit dem neuen Bassisten Wolfgang “Popo / Hunter” Jäger brachte GROBSCHNITT die “Sahara-Show” auf die deutschen Rock-Bühnen. Zwischen Träumerei und Wirklichkeit, Gags und Slapstick, Beduinenkleidern und Zaubererkostümen, Tagesschaufanfare und Marschmusik zelebrierte GROBSCHNITT ein Show-Programm, das - weltweit - seinesgleichen sucht. Dazu eingeblendete Klangcollagen und elektronische Effekte sind Ideen des Schlagzeugers Joachim “Eroc” Ehrig.
Ihr drittes Album “Jumbo”, das zuerst in englischer Sprache veröffentlicht wurde, kam fünf Monate später bei gleicher Ausstattung noch einmal mit deutschen Texten in die Läden. Das Folge-Album “Rockpommel's Land” trägt die Züge eines Konzept-Albums. Über zwei Plattenseiten wird die Geschichte des Jungen Ernie erzählt, der träumend dem grauen Alltag entflieht und sich mit Hilfe eines Vogels namens Maraboo auf eine abenteuerliche Reise begibt, bis er sein Glück in Rockpommel's Land findet.
Anfang 1978 inszenierte die Band eine “Söldner-Show”, in deren Mittelpunkt eine deutsche Truppe steht, die eine Brauerei vor den anrückenden Franzosen abschirmen muss. Die Truppe sieht ihre Aufgabe darin, jeden Tropfen vor dem Anrücken des Feindes zu “vernichten”. In einer weiteren Blende wird auf der Bühne (mit Bett und Plumpsklo) ein Besuch der Alten Kameraden beim Hauptmann Elias Grobschnitt dargestellt. Mit solcherlei Nonsens und einer bis zu vierstündigen Non-Stop-Show etablierte sich de Gruppe zu einem der gefragtesten Live-Acts Deutschlands. Im Februar 1978 waren mehr als 5000 Besucher nach einem Konzert in der Halle Münsterland “schier aus dem Häuschen”. Das Kernstück eines jedem GROBSCHNITT-Programms, das einstündige Opus “Solar Music”, füllt das fünfte Album der Band. Live in Mülheim mitgeschnitten, offenbart das Album über 53 Minuten (!) ausgezeichnetes Rock-Handwerk.
Textauszüge aus Günter Ehnerts “Rock in Deutschland”, erschienen bei Taurus Press